«Hier und Jetzt»: der Blog

Körpertherapie, Prozessbegleitung, Stressbewältigung

Archive for the ‘Ganzheit’ tag

Wer einen Unterschied zwischen Leib und Seele macht, besitzt keines von beiden.

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(Oscar Wild)

Das Wort „Körper“ beschreibt sowohl das in Erscheinung tretende Material eines Menschen oder Tieres als auch den Organismus eines Lebewesens im biologischen Sinne. Möchten wir hingegen eine lebendige Beschreibung mit Betonung auf Körpergefühl und Körperbewusstsein, so läge der Begriff „Leib“ wesentlich näher. Wie kommt es also, dass wir unseren „Seelentempel“ nur noch mit einem materie-beschreibenden Wort bezeichnen?

Menschen haben sich selber und ihre Mitmenschen schon immer auf Ähnlichkeiten und Unterschiede hin betrachtet. Sie suchten und fanden Hinweise und Zeichen sowohl für Gesundheit als auch für Krankheit und begannen die Erscheinungen zuzuordnen.

Im 16. Jahrhundert begann man zum ersten Mal, systematische Leichenöffnungen durchzuführen. Die ursprünglich nur subjektiv erlebbaren Phänomene des Leibes wurden seither in der beschriebenen Anatomie völlig neu geordnet. Das bis dahin „unbekannte Innere“ wurde durch den neuen ärztlichen Blick zum begreifbaren und verständlichen Mechanismus. Die Folge dieses Wissens war die komplette Trennung der bis dahin synonymen Begriffe Leib und Leben. Neu tritt der Ausdruck „Körper“ an die Stelle von „Leib“ (lat. „Corpus“: Masse, Leichnam).

Der Körper wird zu einem Objekt der Forschung, Einteilung und klar rationalen Definition. Der in dieser Weise angegriffene und bis dahin verstandene Leib verliert seinen ursprünglichen, sakralen Charakter und wird zur hochkomplexen Maschinerie. Eine neue Übersichtlichkeit und ein Verstehen des Gesamtorganismus machen den Körper „durchschaubar“.

Der „von aussen“ als Objekt betrachtete Körper verdrängte immer mehr den „von innen“ erlebten Leib. Morris Berman, ein Wissenschaftshistoriker, zieht eine interessante Parallele zum „Spiegelkörper“. Ihm zufolge gelang es im 16. Jahrhundert venezianischen Glasbläsern erstmals Spiegel, in Massen zu produzieren. Die Eigenbeobachtung der Menschen war bis dahin eher zufällig und basierte primär auf dem im Wasser gezeigten Spiegelbild. Dass dieses Gut nun plötzlich für alle zugänglich und erschwinglich war, veränderte die Eigenwahrnehmung des Menschen nachhaltig. Das eigene Gesicht wie auch der Körper waren wiederholbar anzuschauen und zu begutachten. Damit wurde der Blick sich selbst und auch anderen gegenüber wesentlich bedeutsamer und kritischer. Das neue Eigenverständnis ging mit der gesamten Entwicklung des Individuums in der Renaissance einher. Richtige Verhaltensweisen und Manieren gewannen zusehends an sozialer Wichtigkeit. Der eigene „Spiegelkörper“ wurde als äusserlich sichtbares Pendant des eigenen Inneren verstanden, der Körper als „Spiegel der Seele“. Gesteigerte Körperkontrolle entwickelte sich zu einem wichtigen gesellschaftlichen Instrument des selbstbewussten und wertgesteigerten Individuums.

Seymour Fisher, ein Pionier der modernen Erforschung des Körperbildes („body image“) verweist darauf, dass die unmittelbare Erfahrung des eigenen Körpers erhebliche Auswirkungen auf unseren sozialen Umgang hat. Interessant sind solche Studien vor allem darum, weil sie beweisen, dass die „oberflächliche Selbsterkenntnis“ – hervorgeführt durch das eigene Spiegelbild, und den damit verbundenen Vergleich zu anderen – mehr Zweifel als Genugtuung auslösen. Das sich-beobachten-können und die eigene Vorstellung über die aktuelle Spiegelung beim vis-à-vis kann die Bewegung „weg vom Leib hin zum Körper“ zusätzlich verstärken. Eine Wahrnehmung, welche sich weg vom Gesamten hin zum Visuellen bewegt hat, macht es immer schwieriger, im Sinne eines Ganzen bei sich zu bleiben.

 

Written by geraldine

Juli 10th, 2017 at 1:07 pm

Psychosomatik: Zusammenhang von Körper und Psyche

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Haben Sie schon einmal von Dr. Rüdiger Dahlke gehört? In den Achtzigerjahren wurde er durch seine teilweise sehr umstrittenen Bücher zum Thema Psychosomatik bekannt. Obschon gewisse Kritik sicher gerechtfertigt ist und seine Literatur nicht einfach so hingenommen werden sollte, hat er doch ein wichtiges, schon den alten Griechen bekanntes Thema aufgegriffen und der Allgemeinheit zugänglich gemacht: den Zusammenhang von Körper und Psyche.

Der psychosomatische Ansatz trifft heute auf ein medizinisches System, das in vielen Bereichen noch dem Kausalitätsprinzip folgt und einer Krankheit jeweils eine bestimmte Ursache zuzuordnen versucht. Entsprechend wird der Begriff „psychosomatisch“ sowohl von Laien als auch von Vertretern der Medizin häufig nicht in seiner ursprünglichen Bedeutung verstanden, sondern mit „psychogen“ gleichgesetzt. Patienten, die an körperlichen Symptomen leiden, fühlen sich dann missverstanden und oft als „eingebildete Kranke“ oder Simulanten stigmatisiert.

Dank grosser wissenschaftlicher Fortschritte wissen wir heute, dass eine polare Trennung wie sie lange Zeit vermittelt wurde, obsolet ist. Es gibt nichts Körperliches das sich nicht auch in der Psyche zeigt und visa versa.

Ein Beispiel für einen psychophysiologischen Zusammenhang: Angstführt dazu, dass im Körper Adrenalinausgestossen wird, was u.a. die Magen-Darm-Peristaltikhemmt und bei längerem Bestehen zu Verdauungsstörungen führen kann. In vielen Redewendungen des Alltags ist dieser Zusammenhang impliziert: Etwas liegt einem „schwer im Magen“, eine Sache geht einem „an die Nieren“, der Schreck „fährt einem in die Glieder“, jemandem ist eine „Laus über die Leber gelaufen“.

Was heisst das konkret? Stellen sie sich vor, dass sie kurz vor einem für sie wichtigen Gespräch stehen. Vielleicht bemerken sie eine gewisse Nervosität – was stereotypisch psychisch wäre – , gleichzeitig aber werden ihre Hände feucht und in ihrem Magen stellt sich ein flaues Gefühl ein (was in der Analogie dem Körperlichen entspricht). Oder ein anderes Beispiel: Sie sind seit längerem stark engagiert, müssen grosse (psychische) Belastungen tragen. Wie oft kommt es vor, dass damit Verspannungen im Schulter-/ Nackenbereich einhergehen?

Ich bin mir sicher, dass sie solche oder ähnliche Erfahrungen aus ihrem eigenen Leben kennen. Umso wichtiger ist es, achtsam mit sich selbst und den entsprechenden körpereigenen Reaktionen umzugehen. Nehmen sie die Zeichen ernst und erkennen sie den Zusammenhang von Körper und Psyche, denn dieser ist unweigerlich da. Je eher wir alle verstehen, dass das eine nichts ohne das andere ist, desto klarer und differenzierter können wir mit unseren Beschwerden und Belastungen umgehen.